Radikaler Humanismus
Niemals kitschig, niemals unpolitisch ist es, wenn am Ende eines Theaterstücks, in dem es um Toleranz, Menschenliebe und Freiheit geht, ein Lied angestimmt wird, welches einen – nicht nur in diesen Tagen – innerlich wie äußerlich in einen schützenden warmen und weichen Sessel eines Theatersaals drückt: „Stell dir vor, es ist Frieden und alle gehen hin.“
Lessings humanistisches Drama „Nathan der Weise“ von 1779 ist nicht nur seit kurzem Teil des Lehrplans der gymnasialen Oberstufe, sondern thematisiert vor allem Konflikte, die auch heute noch aktuell sind. Davon – und von dem durch das Stück ausgedrückten radikalen Humanismus – konnten sich auch Schüler:innen der Q2 und Q1 der Gesamtschule Eifel überzeugen. Und mithin wurde ihnen gleichzeitig die Gelegenheit des eigenen kritischen Urteilens gegeben.
So wie es vor jedem Theaterbesuch Erwartungen an bzw. Vorfreude auf das gezeigte Stück gibt, erst recht, wenn es – wie in diesem Fall – vorher bekannt ist, so gibt es im Nachhinein immer Fragen und Zweifel, die sich auf der Rückfahrt allein kaum beantworten oder zerstreuen ließen. Und doch ist genau das der Plan eines solchen Theaterbesuchs. Warum bloß war der Tempelherr so anders? Recha tauchte viel seltener auf als im gelesenen Drama und was genau sollte der Engel, der immer wieder Texte sprach, die mindestens zum Nachdenken anregten? Und überhaupt: die Figuren waren in vielerlei Hinsicht anders als „im Buch“ (DRAMA!) und das hat den ein oder anderen verwirrt. Auch die mitgereisten Lehrenden.
Alles in allem stellten wir leicht irritiert und dennoch glücklich fest: Man muss raus in die Welt – hier in die des Theaters – um den eigenen Horizont zu erweitern und aus dem Text heraus den radikalen Humanismus zu fühlen, der sich in der Schlussszene der Inszenierung Stefan Bachmanns am Schauspiel Köln mehr als deutlich und mit Gänsehautfaktor zeigte.
Text: Rebekka Bongart